Siebold-Museum

Deutsch-Japanisches Forum Würzburg

Josepha von Siebold (1771-1849)

Josepha von Siebold

Die beiden Ärztinnen Josepha von Siebold und ihre Tochter Charlotte sind keine gebürtigen „Siebolds“, sondern erhielten diesen Namen durch Heirat bzw. Adoption. Sie gehören zu den frühesten promovierten Ärztinnen bzw. Geburtshelferinnen in Deutschland und zeichneten sich beide durch ungewöhnliche Tatkraft aus.

Josepha, 1771 als Tochter eines kurmainzischen Regierungsbeamten geboren, wuchs bei ihrem Onkel, Regierungsrat Lorenz Henning auf, der als Stadtschultheiss in Heiligenstadt amtierte. Bis zum 10. Lebensjahr, so wird berichtet, trug sie leichte Knabenkleidung. Außerdem lernte sie Reiten und Kutschieren, zwei Fertigkeiten, die ihr später sehr zupass kommen sollten. Als 1786 der geliebte Onkel starb und ihr als Alleinerbin das Erbe streitig gemacht wurde, fand sie Hilfe bei einem Kollegen ihres Onkels, Georg Heiland, den sie 1786 heiratete. Bereits 1793 starb Heiland, angeblich durch die Ungeschicklichkeit eines Arztes beim Aderlass. Damian von Siebold, der die junge Witwe bei einer schweren Erkrankung behandelte, heiratete sie 1795 und adoptierte ihre beiden Töchter. Von ihrem Schwiegervater Carl Caspar, den sie zu einer Versöhnung mit seinem Sohn bewegen konnte, erhielt die couragierte Josepha dessen Lieblings-Geburtszange mit seinen Komplimenten und besten Wünschen als Geschenk überreicht.

In den Jahren nach 1797 gestaltete sich die finanzielle Situation der Familie schwierig: 1800 entschloss sich Josepha, mit den Kindern nach Heiligenstadt zu ziehen, wo sie Güter besass. Erst 1802 verkaufte sie ihre Besitzungen und kehrte nach Worms zurück. Um zu den Einkünften der Familie beitragen und ihren Mann bei dessen Praxis unterstützen zu können, entschloss sie sich nun, allen Vorurteilen der Zeit zum Trotz, die Geburtshilfe zu erlernen. So fand sie sich auch 1807 unter den Hörern ihres Schwagers Adam Elias in Würzburg, der dort 1805 eine Gebärklinik eröffnet hatte. Das Großherzogliche Medizinal-Kollegium, das sie 1807 auf ihren Antrag hin prüfte, bescheinigte ihr ausgezeichnete theoretische und praktische Kenntnisse in der Geburtshilfe. Kurz darauf wurde ihr die Approbation erteilt. In der Folgezeit konnte man die couragierte Geburtshelferin zu Pferd oder zu Wagen auf der Fahrt zu den Schwangeren beobachten. Auch ein schwerer Wagenunfall 1814, bei dem Josepha eine Viertelstunde lang von den durchgegangenen Pferden mitgeschleift wurde, konnte sie nicht lange von ihren Berufspflichten abhalten. 1815 erteilte ihr die Medizinische Fakultät Gießen die Ehrendoktorwürde in der Geburtshilfe.

Auch nach dem Tod Damians 1828 war sie unermüdlich tätig, allerdings nun zunehmend unterstützt durch ihre Tochter Charlotte. Welches Ansehen die vom Schicksal nicht verwöhnte, bewundernswert tatkräftige Ärztin in der Bevölkerung genoss, zeigt die rege Beteiligung an ihrer Beerdigung 1849 in Darmstadt.

 

Maria Regina Josepha, geb. Henning, verw. Heiland, verh. von Siebold (1771-1849)

 

* Getauft am 14. Dezember 1771 in Geismar/Eichsfeld

Aufgewachsen bei ihrem Onkel Lorenz Henning in Heiligenstadt

1778-80 Schule in Göttingen, weiterhin Reitunterricht

1780 Ursulinenkloster in Duderstadt

1786 Heirat mit dem Regierungsrat Georg Heiland (1746-1793)

1795 Heirat mit Damian von Siebold

1800-1802 Verwaltung ihrer Güter in Heiligenstadt

1805 geburtshilfliche Ausbildung bei Adam Elias v. Siebold in Würzburg

1807 Prüfung vor dem Hessischen Medizinalkollegium; Tätigkeit als Geburtshelferin

1814 schwerer Unfall

1815 Ehrendoktorwürde der Medizinischen Fakultät Gießen

1828 Tod Damian von Siebolds

+ 28. Februar 1849 in Darmstadt